26.07.2017  |  Uwe Gräfrath  |  4579 

Auch eine Strategie mit dem Online-Wettbewerb umzugehen?

DAS DILEMMA ENTSTEHT 

Letzten Samstag in einer bundesweit aktiven Filialkette mit dem Schwerpunkt, Drogerie, Schreib- und Spielwaren: Mein Sohn wollte sich mit seinem mühsam verdienten Zeugnisgeld ein besonders begehrtes Lego-Spielzeug kaufen. Nachdem er in der Filiale des o.g. Anbieters hier am Ort fündig geworden ist, überprüfte er im Beisein meiner Frau über sein Smartphone den Preis bei einem bekannten Online-Anbieter, der alles von A-Z bietet. Zu seinem großen Erstaunen wurde der Ladenpreis mit 34,99 € um ganze 8 € oder mehr als 22% unterboten. Und das mit Lieferung am nächsten Montag inklusive.

Das kann passieren! Online ist das identische Produkt 22,8% günstiger. Grundsätzlich noch nicht schlimm, wenn eine Strategie existiert und diese auch von den Verkaufsmitarbeiter/innen beherrscht wird. (Foto: willkürliches Beispiel, hierbei kann es sich auch um einen Einzelfall handeln oder auch umgekehrt darstellen... es soll nur als Beispiel fungieren, deshalb wurden beide Anbieter unkenntlich gemacht.)

GENUSS SOFORT versus GENUSS PLUS TASCHENBUCH

Für meinen Sohn war das nun eine schwerwiegende Entscheidung: 

Sollte er dieses Spiel nun zum teureren Preis kaufen und sofort genießen oder bis Montag warten und sich von dem Differenzbetrag noch ein "Lustiges Taschenbuch" von Disney kaufen.

Da der sofortige Aufbau des Legospiels ihn schon reizte, sprach meine Frau die zuständige Verkäuferin an und fragte: Ob es vielleicht in einem solchen Fall eine Art Preisgarantie oder andere Lösung gäbe?

DIE LÖSUNG, DIE ALLE ÜBERRASCHT

Doch die Fachverkäuferin verneinte freundlich, aber bestimmt, die Kompetenz zur Findung einer Lösung. Es gäbe weder eine Preisgarantie noch eine andere Möglichkeit des Entgegenkommens. Und "Ja!", sie könne die Verunsicherung verstehen und sie würde bei einem solchen Preisunterschied auch online bestellen.

FINDEN SIE DEN FEHLER?!

Klar, als erstes wird Ihnen wahrscheinlich auch sofort in den Kopf geschossen sein: "Was? Wie kann diese Verkäuferin denn ihren Kunden auch noch bei der Abwanderung zum Wettbewerber bestätigen?"

Doch ist das meines Erachtens zu kurz gedacht. Was sollte diese "arme" Verkäuferin denn machen? Wahrscheinlich keine Entscheidungsbefugnis. Wahrscheinlich noch nicht mal rhetorisch auf einen solchen Fall vorbereitet? Und wahrscheinlich nicht das erste Mal.

Sie hat das getan, was sie wahrscheinlich mit der ersten Pflicht eines Mitarbeiters im Verkauf verbindet: Immer freundlich zum Kunden sein. Und sie hat meinen Sohn bzw. meine Frau bei der Entscheidung sich für den 22% günstigeren Anbieter zu entscheiden, mangels geschulten Verhaltensregeln, bestätigt. 

UND DA WUNDERT ES UNS NOCH, WENN IMMER MEHR KUNDEN ONLINE ABWANDERN?

Der stationäre Handel hat eine Herausforderung und dieser muss er strategisch begegnen. Doch die Strategie ist sicherlich suboptimal, wenn die Fachkräfte im Verkauf auf sich allein gestellt bleiben. 

Den Kopf in den Sand stecken! Auch das kann eine Strategie sein - allerdings gibt es proaktivere Varianten! Und diese kann man trainieren! (Foto_Bildquelle: Fotolia 86252305)

EIN PROBLEM ÄNDERT SICH NIE - WENN MAN WEGGUCKT 

Welche Lösungen hätten sich in diesem Fall angeboten? Was meinen Sie?

Hätte es vielleicht geholfen, meinem Sohn zu erklären, dass man in diesem Fall zwar nicht "mitziehen" kann, aber ihm stattdessen für die 8 € Differenz einen Gutschein anbietet?

Ich habe hierzu meinen Sohn gefragt, diese Lösung wäre für ihn schon kaufentscheidend gewesen. Denn auch er musste nun das Opfer von 2 Tagen zusätzlicher Wartezeit aufbringen. 

Hätte es geholfen, vielleicht hier annähernd an den Preis heranzugehen?

Ich habe auch hierzu meinen Sohn gefragt. Solange die erstattete Differenz annähernd an den Preis des "Lustigen Taschenbuchs" gekommen wäre, hätte er auch hier eingeschlagen.

Hätte es geholfen, meinen Sohn eventuell dadurch zu verunsichern, dass die Lieferzeit bei solchen Online-Bestellungen auch mal sich verzögern kann und dass man schon von Lieferzeiten von mehr als 1 Woche gehört hätte?

Auch hier hat mein Sohn als "Forschungsobjekt" fungieren müssen, denn ich habe ihn schon später darauf aufmerksam gemacht, dass es zu einer Verzögerung der Lieferung kommen könne. Gefühlt war hier bei einer Liefertermin-Überschreitung von 4 Tagen die "8 € - Schmerzgrenze" erreicht und er fragte mich, ob er einen Fehler gemacht hätte.

Vielleicht fallen Ihnen ja noch weitere Lösungswege ein.

VIELLEICHT HÄTTEN SIE ALS VERKÄUFER/IN ANDERS GEHANDELT?!

Doch sind Sie da ganz sicher? Wir befinden uns nur in einer nachträglich konstruierten kritischen Gesprächs-Situation. Diese Fachverkäuferin wurde spontan mit diesem Problem konfrontiert und war ganz offensichtlich nicht auf die souveräne Lösung einer solchen Situation vorbereitet oder trainiert.

WIE SIEHT ES IN IHREM UNTERNEHMEN AUS?

Gibt es auch solche Situationen? Steht Ihren Mitarbeitern ein wirkungsvoller Rhetorik-Werkzeugkasten mit Lösungs-Kompetenz zur Verfügung.

Wir empfehlen: Beschäftigen Sie sich proaktiv mit Herausforderungen dieser Art und entwickeln Sie wirkungsvolle Strategien. Jeder hat in seinem Segment/ seiner Branche früher oder später einen Online-Wettbewerber oder auch umgekehrt.


( Aufgrund der Nachfrage der ersten Leser dieses Blogs noch ein Update zum weiteren Verlauf der Bestellung: Es wurde pünktlich am Montag Vormittag angeliefert. Und da mein Sohn für "Forschungszwecke" zur Verfügung stand und besonders die letzte Frage bezüglich der Ertragbarkeit einer längeren Lieferzeit ihn besonders verunsicherte, hat der Vater die Kosten des Einkaufs übernommen. :-) )

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Über den Autor

Uwe Gräfrath
Gründer des Instituts SERVICE-CHECK. Nach mehr als 25 Jahre Führungserfahrung im Handel und Inhaber einer seit 2001 erfolgreichen Marketing-Agentur erfüllte er sich mit der Gründung des Institut SERVICE-CHECK einen Herzenswunsch. 2023 übergab Uwe Graefrath die Geschäftsführung des Instituts an die nächste Generation weiter. Seitdem unterstützt sein Sohn Pablo C. Graefrath, M.Sc., mit seinem Team und dem SCI- System fortschrittliche Unternehmen dabei, eine stetig wachsende Zahl von Stammkunden und eine höhere Weiterempfehlungs-Quote zu generieren. Uwe Graefrath widmet sich seit 2023 neuen Marketing-Projekten und steht noch beratend dem Institut zur Verfügung. Seine Vorträge und Blog-Beiträge sind inspirierend und fordernd zugleich. Sein Motto: Der Service steht in den Sternen! Besser: Der Service steckt in den Sternen!

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